Dennoch hat er natürlich mit dem Satz völlig richtig gelegen. Der Weg des geringsten Widerstandes ist nicht unbedingt der beste Weg.
Leider vergessen wir dies sehr schnell. Gerade in Zeiten der Veränderung wird mit Bauchschmerzen an den zu erwartenden Widerstand gedacht. Wer wird Widerstand leisten? Wer trägt das Projekt mit und kann als Changeagent die Idee weitertragen? Was werden wir mit denen tun, die in den Widerstand gehen?

Kaum einer der beteiligten Führungskräfte schätzt den Widerstand! Schnellstmöglich muss der Widerstand überwunden werden.
Natürlich sollte der Widerstand überwunden werden können, aber er ist durchaus eine positive Kraft, die es zu nutzen gilt.
Naturwissenschaftlich betrachtet käme es ohne Widerstand zu einem Kurzschluss und die Sicherungen fliegen raus. Ebenso würden Changeprozesse ohne Widerstand eine Dynamik aufnehmen, die letztlich zu unausgegorenen Ergebnissen und ausgebrannten Mitarbeitern führt.
Erst der Widerstand reguliert den Prozess.
Für die Beteiligten Führungskräfte und Changeagents gilt es also in erster Linie sich den Widerstand nutzbar zu machen.

  1. Widerstand zeigt Interesse und Betroffenheit. Ein deutliches Indiz dafür, dass die geplante Veränderung tatsächlich weitreichende Auswirkungen haben kann. Ohne echtes Interesse und Betroffenheit wird das Projekt weder vorangetrieben, noch ist es als wirkliche Innovation zu verstehen.
  2. Widerstand ist ein Schutzmechanismus. Zu viele und zu schnelle Veränderungsprozesse wirken sich auf die Leistungsbereitschaft und Gesundheit der Mitarbeiter aus. Veränderungen führen oft dazu, dass Mitarbeiter sich als wenig selbstwirksam erfahren. Ein zu hohes Tempo oder zu viele Veränderungen bewirken Stress, nicht alle Projekte können dauerhaft mit der gleichen Energie betrieben werden.
  3. Widerstand zeigt auf, wo Handlungsbedarf ist. Hier kann sachlicher Handlungsbedarf bestehen, weil z.B. noch nicht alle Ressourcen zur Verfügung stehen, Kommunikationsbedarf, weil noch Unklarheit herrscht oder emotionaler Handlungsbedarf, da Unsicherheit vorherrscht.

Als Führungskraft begegnen Ihnen einerseits rationale Widerstände, die sachlichen Argumenten zugänglich sind, sowie andererseits emotionale Widerstände, die deutlich schwieriger aufzulösen sind, zumal sie oft als sachliche Widerstände verkleidet werden. Die Angst vor Übervorteilung, vor Macht- oder Prestigeverlust, materielle Einbußen oder die Angst, eine neue Situation nicht bewältigen zu können, sind klassische Beispiele, die zu emotionalem Widerstand hinter der Maske der Sachargumente führen.
Soll der Widerstand überwunden und als Energiequelle zugänglich werden, braucht es Promotoren, die den Wandel nach vorne tragen und das Vertrauen der Mitarbeiter genießen. Diese Mitarbeiter sollten in der Lage sein, alle anderen aus dem Widerstand hinauszuführen.
Schon hier hakt es in vielen Veränderungsprozessen. Naturgemäß sollen diese Changeagents die Führungskräfte sein. Nur vergessen viele, dass auch Führungskräfte diesem natürlichen Widerstand unterliegen. Solange sie selbst noch emotional im Widerstand sind, werden Sie nicht in der Lage sein, diese Führungsaufgabe wahrzunehmen. Oft erliegt die Geschäftsführung dem Irrtum, dass die oberste Führungsebene die Veränderung selbstverständlich unterstützt.
Auf den obersten Führungsebenen braucht es ein Bewusstsein dafür, dass auch die Managementebenen die klassischen emotionalen Phasen der Veränderungsprozesse durchlaufen.

Schock = „Das kann doch nicht wahr sein …“
Ablehnung = „Das stimmt nicht!“
Rationale Einsicht = „Vielleicht doch …“
Emotionale Akzeptanz = „Es stimmt eigentlich.“
Lernen = „Einmal versuchen.“
Erkenntnis = „Es geht ja tatsächlich …“
Integration = „Es ist selbstverständlich …“

Die Führungskräfte durch diesen Prozess zu führen, ist die erste Aufgabe bei einem anstehenden Changeprozess. Andernfalls werden Mitarbeiter immer wieder spüren, dass auch ihr Vorgesetzter im Widerstand ist und diese Ambiguität verleitet sie zu dem Glauben, dass die Veränderung noch aufzuhalten ist. Führungskräfte, die frühzeitig in Planung und Umsetzung eingebunden sind, können die Visionen weitertragen und Klarheit vermitteln.

Widerstand zeigt, dass sehr viel Energie vorhanden ist. Diese Energie kann den Veränderungsprozess bereichern.