Wie gehen Sie auf Menschen zu?
Eher mit dem Vertrauensvorschuss oder eher skeptisch, vorsichtig. Vielleicht begründen wir diese Vorsicht vermeintlich rational, indem wir anführen, dass unser Vertrauen ja bereits einmal missbraucht wurde?
Oder wir haben so ein vages Gefühl, dass wir bei diesem Mitarbeiter vielleicht vorsichtig sein sollten. Oder genau dieser Mitarbeiter ist in einer anderen Situation sorglos mit unserem Vertrauen umgegangen.
Unsere Vorurteile und unbewusste Wahrnehmungen erschweren es uns, Vertrauen zu haben. Und unser Verstand ist nicht in der Lage zu differenzieren, nur weil der Mitarbeiter in einer Situation, vielleicht sogar unbewusst, unsere Erwartungen nicht erfüllt hat, muss dies in anderen Situationen noch längst nicht so sein. Und vielleicht kannte er ja die Erwartungen auch gar nicht.
Der Vertrauensvorschuss fällt vielen Führungskräften nicht leicht. Vertrauen fühlt sich an, wie die Kontrolle vollends abzugeben. Dabei können Vertrauen und Kontrolle durchaus in einem produktiven Spannungsverhältnis stehen.
Zumeist mache ich die Erfahrung, dass Mitarbeiter sich zu stark an die Leine genommen fühlen, zu eng wird der Rahmen gesteckt und gerade langjährige erfahrene Mitarbeiter fühlen sich durch enge Führung seitens einer neuen Führungskraft beinahe gedemütigt.
Da wird jede Entscheidung, die früher durchgewinkt wurde, nochmal durch den Vorgesetzten geprüft. Keine Mail verlässt die Abteilung, ohne nochmal über den Schreibtisch des Vorgesetzten zu gehen.
Vielleicht nur aus Unsicherheit wird eng geführt. Das gefühlte Misstrauen aber demotiviert und die Spirale Misstrauen, Kontrolle, Demotivation setzt sich in Gang. Nach einiger Zeit weiß keiner mehr, was eigentlich der Auslöser war. Die Führungskraft ist enttäuscht vom Team, das Team traut der Führungskraft nicht, Teammitglieder verlassen das Team, die Performance lässt nach.
Bereits in den 70er Jahren beschrieb Douglas Mc Gregor diesen Zusammenhang am MIT. Das Menschenbild entscheidet über die Motivation der Mitarbeiter. Spätere Studien bestätigten diesen Zusammenhang.
Und oft habe ich Führungskräfte im Seminar, die fragen, wie sie es hinbekommen, dass das Team ihnen vertraut.
Auf die Frage, wie es denn mit dem Vertrauensvorschuss aussieht, ernte ich zuerst Schweigen. „Kontrolle gehört doch zur Führung…“, „Ich muss wissen, was meine Mitarbeiter tun…“, „Am Ende trage ich die Verantwortung“, sind nur einige der dann folgenden Antworten. Viele erklären mir, warum ein Vertrauensvorschuss gerade in dieser Konstellation keine gute Idee wäre. Der Mitarbeiter möge sich doch bitte ändern. Was könne man da tun? Ein Teambuilding?
Manchmal ist es harte Arbeit, über den eigenen Schatten zu springen.
Den Mitarbeitern soviel Gestaltungsspielraum zu geben, dass sie Aufgaben selbstständig erbringen können, zu akzeptieren, dass der Mitarbeiter die Aufgabe anders angeht und zu anderen Ergebnissen kommt, Fehler zuzulassen und als Chance zu begreifen, eigene Fehler zuzugeben, gerecht auf die individuellen Ansprüche im Team zu reagieren, transparent und offen zu sein, all das fördert das Vertrauen des Teams in die Führungskraft.
Vertrauen Sie Ihrem Mitarbeiter, dass er im Interesse des Unternehmens handelt?
Wenn Ihr Mitarbeiter ihnen vertrauen soll, so möchte er andererseits erwarten dürfen, dass Sie berechenbar in seinem Interesse handeln.
Nicht immer funktioniert dieser Mechanismus einwandfrei. Sand im Getriebe können Zwänge sein, unter denen die Führungskraft handeln muss. Aber das ist Teil der Führungsaufgabe.
So ist auch der Faktor transparent und ehrlich zu kommunizieren durchaus immer wieder eine Herausforderung. Hier besprechen wir in den Coachings immer wieder Gratwanderungen.
Wie kommunizieren Sie eine unternehmerische Entscheidung, hinter der sie selbst nicht 100 % stehen? Offen und ehrlich ihrem Team erklären, dass sie die Idee auch nur notgedrungen unterstützen? Oder voller Begeisterung und Loyalität, wohl wissend, dass ihr Team vor einigen Wochen von Ihnen noch ganz andere Ansätze gehört hat? Die richtigen Worte zu finden, die ihre Loyalität zum Unternehmen und ihre Loyalität mit dem Team verdeutlichen, ist eine große Herausforderung.
Alle Faktoren, die das Vertrauen untereinander stärken, hängen damit zusammen, wie offen in Ihrem Team diskutiert und kritisiert werden darf, wie gut zwischen Person und Sache getrennt wird, wie konstruktiv ihre Feedback-Kultur ist und wie sehr Sie in Vorleistung gegangen sind.
Ihre Haltung entscheidet.